(english version below)

Benjamin Libet

Ich freue mich, meine Grüße an das Projekt “Der Freie Wille” zu entrichten und erwarte mit Interesse dessen Ergebnisse.
Da ich nicht ganz unbefangen bin, möchte ich mich der Vorstellung des Projektes von Stefan Schemat, Dominica Freier und Victor Libet anschließen. Für einen experimentellen Wissenschaftler ist das Bewusstsein kein Theater, aber ich bin fasziniert von der fantasievollen Arbeit, die sie mit Hilfe dieser Metapher geleistet haben.

Meine experimentelle Arbeit hat gezeigt, dass das Gehirn eine ungehinderte freiwillige Handlung unbewusst auslöst. Der Prozess im Gehirn setzt 0,5 Sekunden vor dem Zeitpunkt ein, an dem man sich über seine Handlungsabsicht bewusst wird.
Nach dieser Verzögerung kann der freie Wille die Ausführung der Handlung jedoch mit einem bewussten Einspruch kontrollieren. Das erlaubt es uns, nicht wie Automaten zu agieren. Es bewahrt unsere Fähigkeit zu verantwortlichem ethischen Verhalten.

Roger Sperry (berühmt durch seine Split-Brain-Forschung) hatte angeregt, dass der bewusste Verstand sich in die Aktionen der Gehirn-Nervenzellen “zwischenschalten” könnte, was in gewisser Weise nicht dem Determinismus der physikalischen Gesetze widersprach.
In seinen letzten Lebensjahren erkannte Sperry jedoch, dass der Determinismus nicht den freien Willen erklären kann. Er musste zugeben, dass bewusste Handlungen jenseits der Grenzen des Determinismus unter bekannten physikalischen Gesetzen stattfinden konnten.

B. Libet schlug vor, dass ein zerebrales System, körperlos wie die von ihm repräsentierte subjektive Erfahrung, den Einfluss des Gedächtnisses auf das Gehirn (in freiem Willen) erklären könnte und für die Einheit bewusster Wahrnehmungen, die von vielen verschiedenen Zellgruppen hervorgebracht werden, verantwortlich wäre. Dieses Feld könnte Eigenschaften haben, die nicht aus den Charakteristika der Gehirn-Neuronen ableitbar sind, welche das Feld verursachen. Ein solches Feld wäre ein neues, grundlegendes Phänomen in der Natur.

Benjamin Libet, geboren 1916 in Chicago, wurde er 1962 Professor für Physiologie an der University of California in San Francisco. Er ist dort Professor Emeritus und Mitglied des Center for Neuroscience an der University of California in Davis. Sein Buch “Mind Time” (Harvard University Press, 2004) ist in deutscher Übersetzung (“Mind Time. Wie das Gehirn Bewusstsein produziert“) im Suhrkamp Verlag erhältlich.

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Benjamin Libet

I am pleased to send my greetings to the Exhibition Project "Der Freie Wille / The Free Will" and await with interest the results of its work. As I am not entirely unbiased, I would also like to introduce the project by Stefan Schemat, Dominica Freier and Victor Libet. For an experimental scientist, consciousness is not a theater, but I am intrigued by the imaginative work they have done using this metaphor.

My experimental work showed that the brain initiates a freely voluntary act unconsciously. The brain process begins 0.5 second before one becomes aware of the intention to act. However, after that delay, free will can control performance of the act by a conscious veto. That allows us not to act as automatons. It preserves our ability for responsible ethical behavior.

Roger Sperry (of split brain fame) had proposed that the conscious brain could "supervene" in the actions of brain nerve cells, but in a way that did not contradict determinism by physical laws. But in his late years of life, Sperry realized that determinism could not explain free will. He had to admit that conscious actions could go outside the confines of determinism by known physical laws. B. Libet proposed that a cerebral field, non-physical like the subjective experience it represents, could account for the action of mind on brain (in free will), and for the unity of conscious perceptions that are generated by many different cell groups. This field could have properties that are not predictable from those of the brain neurones that give rise to the field. Such a field would be a new fundamental phenomenon in nature.

Benjamin Libet. Born in Chicago in 1916, he became Professor of Physiology at the University of California, San Francisco in 1962. He is now Professor Emeritus there and a member of the Center for Neuroscience at the University of California, Davis. His book "Mind Time" (Harvard University Press, 2004) is available in German from Suhrkamp Verlag.

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